Bayerischer Rundfunk
CD-Tipp 19.04.2010
Von Helmut Rohm
Frank Reinecke spielt
Musik für Kontrabass solo
Geiger, Cellisten, ja sogar Bratschisten haben das Glück, auf einen reichen Fundus solistischer Meisterwerke für ihr Streichinstrument zurückgreifen zu können; anders die Kontrabassisten. Während die wenigen Virtuosenkonzerte, die ihnen in Vorklassik und Romantik zugedachten worden sind, meist Züge des Kuriosen tragen und an gewichtigen Solowerken absoluter Mangel herrscht, kommt ihrem Ordinario-Spiel - von der Continuo-Praxis bis hin zur großen Symphonik - die tragende und damit gleichsam dienende Funktion des Fundamentalen zu.
Erst Komponisten unserer Tage haben das eigenständige musikalische Potenzial des Kontrabasses entdeckt: Es ist riesig. Wieder einmal tritt Frank Reinecke den Beweis für diese These an. Mit seiner neuen, gerade beim Label NEOS erschienenen Solo-CD hat sich der in Hamburg geborene Musiker (Mitglied des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks sowie international geschätzter Kammermusiker und Solist) endgültig im überschaubaren Kreis der Spitzenkontrabassisten etabliert.
Packend und klangintensiv
Der packend, klangintensiv und gestisch reich musizierende Künstler hat ein dramaturgisch bezwingend komponiertes Programm mit Werken von sechs verschiedenen Tonsetzern eingespielt. Es hebt an mit den beiden 1972 entstandenen Miniaturen "Nuits" von Giacinto Scelsi (schroff bebende Klangerkundung hinter den Schleiern aus schwarzer Materie; ahnungsvolles Schweben zu fahlen Leuchtfeuern am Rande des Universums). Und es schließt mit dem Stück Tiefe aus der Feder des Dänischen Komponisten Bent Lorentzen (zwischen Phasen des Wanderns immer wieder das tiefe Loten im Geschiebe tellurischer Kräfte zwischen Styx und Vulkan), das 1993 entstanden und Frank Reinecke gewidmet ist. Isang Yun ist mit zwei liebenswerten Aphorismen vertreten: "Aki I" und "Aki II" - liedhafte Gebilde für den Sohn eines Freundes, der maßgeblich dazu beigetragen hatte, dass der 1967 vom südkoreanischen Geheimdienst verschleppte Komponist schließlich hatte wieder nach Deutschland zurückkehren können.
Suche nach der verlorenen Zeit
Hans Werner Henze nannte seinen 1977 entstandenen Ricordo per un contrabbasso solo "S. Biagio 9 Agosto ore 1207": In balladeskem Ton eine Suche nach der verlorenen Zeit. Von eher jazzoidem Charakter und mikrotonal raffiniert gewürzt die Pizzicato-Studie "Streetmusic III", die Manfred Stahnke 1995 für Frank Reinecke geschrieben hat: Quasi selbstverloren dem Groove des eigenen Spiels sich überlassend, muss der Interpret über weite Strecken im Unisono mitsingen - als Grüsse von fern Bobby McFerrin.
Erhabenes Bergmassiv
Im Zentrum des Programms freilich steht das Werk "Theraps" von Iannis Xenakis: Musik, die unter Mobilisierung aller Kräfte und unter Schmerzen durchmessen und erobert werden will wie ein erhabenes Bergmassiv. Mit eisenharter Konsequenz stellt sich Frank Reinecke den schier unbezwingbaren Herausforderungen. Er folgt mikrointervallisch sich windenden Skalengängen, wühlt in bebenden Klang-Geräusch-Gemengen und findet nach zweistimmigen, teils gegenläufigen Glissandopassagen und immer wieder jäh hereinbrechenden Akzentkaskaden Wege durch Zonen fiebriger Erlösungsphantasmagorien.
Feiner Hauch und eruptives Ereignis
Aufnahmen von unglaublicher klanglicher Präsenz sind da geglückt. Vom feinsten Hauch bis zum eruptiven Ereignis: Hören verwandelt sich hier zum Beteiligt-Sein.
Sommer 2010
Music for Double Bass
Album: Music for Double Bass
Label: Neos Productions
Source: AMG
Much of the solo literature for double bass requires the instrument to change its tuning from its standard orchestral arrangement, raising the pitch of each string by a whole step (if not more) in an attempt to increase its clarity, projection, nimbleness. This Neos album, "Music for Double Bass" with German bassist Frank Reinecke, steers away from works that employ scordatura in favor of those that use the bass's typical orchestral tuning. The idea: to focus on and explore the depth and resonance for which the instrument was constructed. The opening work on the program -- Giacinto Scelsi's "Nuits" -- is the only work on the program that alters the bass's tuning by tuning three of its four strings to an "F" in the final movement, producing a noticeably unusual effect. The rest of the program, while certainly visiting the higher realms of the bass's long fingerboard, spends a great deal of time in the lower registers. Given a powerful sound system and speakers that can really handle low frequencies, listeners will enjoy a wash of dark, encompassing sound from Reinecke's instrument. The pieces on his program incorporate a variety of extended techniques, microtonal scales, and even spoken word to add spice and intrigue. The appeal of the literature itself is subject to listener preference. Some works, like Isang Yun's "Für Aki I & II" are somewhat trite contributions that sound as if they could come from an early student etude book. On the other end of the spectrum, the wildly complex and lengthy "Theraps" by Iannis Xenakis tests listeners' resolve and attention. For his own part, Reinecke puts forth an admirable performance and convinces us that the bass need not alter its true nature to be a successful solo instrument. ~ Mike D. Brownell, All Music Guide